Gute drei Tage hatten wir in Bosnien, nicht mehr werden es in Kroatien. Als wir hinter Bihaç über die bosnisch-kroatische Grenze fahren, ist das zugleich unsere Rückkehr in die EU. Zur Feier des Tages scheint ein wenig die Sonne, das wird aber nur bis zum Abend anhalten, danach folgen eineinhalb weitere Tage Dauerregen, bevor es gestern endlich aufklart. Von Kroatien sehen wir noch weniger als von Bosnien – aber wir haben trotzdem eine wunderschöne Zeit, da wir uns in Istrien auf einem Campingplatz nahe Rovinj mit meinem Bruder und seiner Familie treffen. Sie leben in München und verbringen eine Urlaubswoche dort, wir stoßen für zwei Tage dazu und genießen die Zeit ohne Pläne und ohne Fahren und einfach nur miteinander.
Auch das miese Wetter ist uns egal – das sich davon endlich beeindruckt zeigt UND SICH VERZIEHT! Ha! Seit heute strahlt die Sonne, wir sind mittags von Rovinj aufgebrochen und durchs liebliche Istrien gefahren, alles üppig grün und blühend, sanfte Hügel bis zur slowenische Grenze und weiter. Wir fahren nur wenige Kilometer durch Slowenien, aber die sind so malerisch, dass ich am liebsten anhalten und bleiben würde. Über eine schmale Straße, die uns durch winzige, an die Hänge geschmiegte Dörfllein führt, aus deren Gärten Blüten in tausend Farben über steinerne Mäuerchen quellen. Dann fahren wir an einem „Italia“-Schild vorbei aber ansonsten ändert sich nichts. Ich gerate ins Schwärmen, und gerade als ich Nico zum dritten Mal mit der Vokabel „Postkarten-Idylle“ langweile, biegen wir um eine Kurve – und ich blicke auf die hässlichste Szenerie aller Zeiten. Riesige Silos erheben sich vor und unter uns, dahinter soweit der Blick reicht eine Industriestadt von oben, am Horizont ragen Kräne auf. Triest. So schnell ist das Idyll vorbei.
Das bleibt aber die einzige Beleidigung für die Augen an diesem Tag: Wir fahren weiter durch die sanfte, fruchtbare Landschaft des Friaul, vorbei an Weinstöcken und Olivenhainen, immer auf Nebenstraßen, da wir unserem Navi nach wie vor Mautstraßen verboten haben. In der Ferne sehen wir schon 180 Kilometer vor unserem Ziel in zartem Blau den Schattenriss des mächtigen Alpenpanoramas. Je näher wir kommen, desto dunkler wird er. Die letzten 22 Kilometer kurven wir eine Stunde lang eine Bergstraße hinauf, bis wir 1.570 Meter über dem Meer sind. Und von der Kuppe eines Berges in die eine Richtung über die Ebene des Friaul blicken und in die andere in die schneebedeckten Gipfel der Dolomiten. Mal wieder ein Stellplatz hoch oben – wir sind glücklich. Glücklich, aber auch erschöpft. Wir merken beide, dass die Reise uns Kraft kostet. Nico hat zum ersten Mal keine Lust, zu fahren (normalerweise zieht er das Steuer dem Beifahrersitz um Längen vor), ich kann mich trotz all der Schönheit am Rande der Strecke, die mein Herz nach wie vor berührt, nicht zum Fotografieren aufraffen. Zu anstrengend. Nach einem Tankstop vergesse ich meinen Autoschlüssel außen in der Beifahrertür und bemerke es erst eine dreiviertel Stunde später, als wir zum Einkaufen anhalten (zum Glück ist er nicht abgefallen!!) Auf der Toilette des Supermarkts lasse ich meine Tasche mit Portemonnaies, Handy, Ausweisen hängen. Gut, dass wir uns auf dem Parkplatz noch einen Kaffee gekocht haben, sonst wären wir vielleicht schon sonstwo gewesen, bis es mir aufgefallen wäre. Alles ist noch da, nichts passiert – trotzdem ein blödes Gefühl, wenn man sich nicht auf sich selbst verlassen kann. In vier Tagen werden wir wieder zuhause sein, dann ist Zeit, alle Eindrücke sacken zu lassen und ein Fazit der Reise zu ziehen. Bis dahin haben wir aber noch knapp 1.000, hoffentlich schöne, Kilometer vor uns, von denen zumindest einige durch meine Lieblingsgegend, die Alpen, führen werden!