Als wir in Arbus ankommen, habe ich kurz das Gefühl, dass wir direkt in der Kulisse für einen düsteren italienischen Krimi gelandet sind. Im letzten Abendlicht kommen wir über eine gewundene Bergstraße hinauf in den Ort. Steuern den Bus durch Gassen, die so schmal sind, dass unsere Außenspiegel beinahe die Häuserwände streifen. Die meisten Fensterläden sind geschlossen, drohend ballen sich schwarze Wolken hinter dem Kirchturm zusammen. Es riecht nach Winter, die Luft ist kalt (12 Grad – arktisch!), die Menschen haben dem Geruch in der Luft zufolge ihre Kamine und Kohleöfen angeworfen. Direkt neben der Kirche liegt die „Casa Rosada“, die für die nächsten sieben Tage unser Zuhause sein soll. Die Haushälterin empfängt uns wortlos (ob sie lächelt, vermögen wir hinter der Corona-Schutzmaske nicht zu erkennen) und zeigt uns stumm alle Räume – ich vermute, da wir kein Italienisch sprechen und sie kein Englisch, entscheidet sie sich für Schweigen. Vielleicht gehört sie aber auch zur Mafia, da ist Schweigen ja bekanntermaßen eine hoch geschätzte Qualität. Das Haus soll 120 qm haben, die aber so ungeschickt über zwei Etagen und eine Dachterrasse (deretwegen wir die Hütte gebucht haben, weil auf den Fotos weiße Sonnensegel und luxuriöse Liegen zu sehen waren – die sich aber als reizlose Fläche mit blümchenwachstuchbedecktem Plastiktisch entpuppt – ich hasse es, wenn ich auf Werbefotos hereinfalle!) verteilt sind, dass sie eher wie 60 qm wirken (soll ich nachmessen? Vielleicht haben sie nicht nur bei der Ausstattung der Dachterasse gelogen?) Im ganzen Haus ist es eisig (ich verstehe durchaus, dass sardische Häuser so konstruiert sind, dass sie die infernalische Sommerhitze bestmöglich abhalten. Aber wäre es nicht schön, wenn sie auch im Winter bewohnbar wären? Eine kleine Heizung kann doch wirklich nicht die Welt kosten. Die beiden Klimaanlagen, die die gesamten 120 qm (haha!) zusätzlich kühlen sollen, hauchen in der Heizfunktion, die wir schnell anknipsen, ein lauwarmes Lüftchen gegen die kalten Mauern – aussichtslos).
Wir nehmen unglücklich die Schlüssel an uns und die Haushälterin entschwindet (nachdem sie uns 200 Euro Kaution abgenommen hat – wer weiß, ob wir die je wiedersehen? Vielleicht werden sie am Ende behaupten, WIR hätten die Heizfunktion der Klimaanlagen kaputt gemacht?) – vermutlich direkt zu einem Treffen der Mafia-Haushälterinnen. Wir werfen noch einen letzten unglücklichen Blick auf die rosafarbenen Kissen auf der Couch und die unfassbar kitschigen Meeresmalereien an der Wand dieser angeblich hochmodern eingerichteten Bude sowie die dunkelblauen Organzavorhänge im Schlafzimmer, die sich nur unwesentlich von den dunkelblauen Wänden abheben, dann zwinge ich Nico, mit mir in den Ort zu gehen und nach einem geöffneten Geschäft zu suchen – ich ertrage das nicht ohne Alkohol, und wir haben keinen Tropfen mehr davon. In einem zwielichtigen Lädchen (jedes Büdchen in Köln ist besser ausgestattet) erstehen wir eine Flasche Rotwein für 3,30 Euro, die teuerste, die sie haben – das kann nur Kopfschmerzen geben. Dann huschen wir schnell heim, wer weiß, was in diesen Gassen lauert. Nico kocht einen Brokkoli, den wir seit Montag mit uns herumfahren, und ich denke kurz voller Wehmut an die letzten beiden Tage, an denen wir in einem schicken Zimmer mit spektakulärem Seeblick den Regen und die Kälte ausgesessen haben, immer wieder mit Regenbögen beglückt wurden, da die Sonne sich dann und wann aprilmäßig in die Schauer drängte, und ich – ich schwöre – ein Einhorn am Seeufer Glitzer pupsen sah; und an denen wir jeden Abend ein exquisites Vier-Gänge-Menü mit Weinbegleitung verzehrten. Seufz.
Dann ist der Brokkoli fertig, Nico hat eine fantastische Gorgonzola-Sauce dazu kreiert, der Wein schmeckt erstaunlich gut und die verdammte Klimaanlage atmet endlich jede Menge heiße Luft aus. Vielleicht gebe ich Arbus morgen doch noch eine zweite Chance.