Wir sind solche Anfänger!! Stundenlang habe ich mich in den letzten Monaten darüber informiert, welche bürokratischen Hürden uns und unseren Bus in Kanada, den USA und in Südamerika erwarten – aber über Europa habe ich keine Sekunde lang nachgedacht. Grüne Versicherungskarte? Nicht auf dem Radar gehabt. Die braucht man aber verpflichtend, wenn man nach Albanien einreisen will. Und nach Mazedonien und nach Montenegro und nach Bosnien – all die Länder, in die wir noch wollen. Diese Tatsache wird uns etwa eine Stunde vor der albanischen Grenze bewusst, als wir uns eigentlich nur noch mal auf der Seite des Auswärtigen Amtes vergewissern wollen, dass man keinen Reisepass zur Einreise benötigt. Braucht man nicht – dafür aber die verdammte grüne Versicherungskarte! Praktischerweise ist heute Sonntag, und ich erreiche bei unserer Kfz-Versicherung niemanden telefonisch. Online kann ich das Dokument nur an unsere Adresse in Deutschland schicken lassen. Läuft. Ich komme mir sehr dumm vor.
Wir stellen uns darauf ein, an der Grenze eine Kurzzeit-Versicherung abzuschließen und alles andere dann morgen zu klären. Über gewundene Bergstraßen kurven wir durchs wunderschöne nordgriechische Hinterland – und sehen plötzlich einen verblichenen, hochgezogenen Schlagbaum, einen Hund und einen Mann auf einem Stuhl. Ist das schon die albanische Grenze?? Der Mann bejaht, der Hund guckt mitleidig. „Aber hier können Sie nicht durch, Sie müssen den Grenzübergang bei Sagiada nehmen. Das Navi schickt die Leute immer falsch.“ Er zeigt uns auf meinem Handy, wo wir hinmüssen Wir haben keine Ahnung, warum wir der schmalen Straße nicht einfach weiter folgen dürfen, wir stehen doch schon mit der Vorderachse in Albanien. Aber es geht nicht, der Mann ist sehr freundlich aber bestimmt. Also drehen wir und fahren die zahllosen Kehren und Schleifen wieder zurück – vorbei an den selben Hunden, die in jedem der drei Dörfchen, durch die wir gekommen sind, mitten auf der einzigen Straße liegen und gar nicht daran denken, sich unseretwegen aus dem Weg zu bequemen.
Etwa eine Stunde später stehen wir an dem besagten Grenzübergang. Es fühlt sich komisch an. Für Südamerika, den Iran, Pakistan, habe ich mir schon ausgemalt, wie wir Stunden oder Tage brauchen, um die Grenzformalitäten zu erledigen. Ich habe in den Blogs von Weltenbummlern von zermürbenden Prozeduren, grimmigen Grenzern und Behördenwillkür gelesen. All das schießt mir plötzlich durchs Hirn, als wir an der Außengrenze der EU stehen – Grenzkontrollen sind wir als EU-Bürger einfach nicht gewohnt. Brav legen wir dem griechischen Grenzbeamten unsere Ausweise und den Fahrzeugschein vor. Er winkt uns durch. Wir fahren ein paar hundert Meter weiter zur eigentlich spannenden Grenze – der albanischen. Ein Mann steht unter der Überdachung im Kontrollbereich und brüllt permanent in sein Handy.
Seine Frau drückt jede Menge Dokumente in einer Plastikhülle an ihre Brust uns lächelt entschuldigend. Der Tonfall und die Lautstärke des Mannes erzeugen Stress in der Luft und in meinem Bauch. Ein Grenzer in seinem Häusschen nimmt unsere Papiere durchs Wagenfenster an und prüft sie minutenlang an seinem Computer. Der Mann am Handy brüllt weiter. Dann reicht der Beamte unsere Papiere zurück und hebt den Daumen. Wie? Das war alles? Wir rollen vorsichtig vorwärts, der Handymann schreit weiter. Plötzlich fuchtelt ein junger Mann mit seinen Armen und gebietet uns, anzuhalten. Wir sollen die Heckklappe öffnen. Ich springe heraus und mache die Klappe hoch, gebe den Blick frei auf Matratze, Geschirrtücher und den ganzen anderen Krempel, den wir hinten lagern. Er stutzt. „Oh. Tourista. Okay okay“ Und winkt uns durch. Das war’s. Merkt Ihr was? Niemand hat sich für eine grüne Versicherungskarte interessiert. Wir sind in Albanien und frei, weiter zu reisen!
Und das wird erstmal ganz schön holperig. Die ersten Kilometer stellen alle italienischen Schlaglochpisten locker in den Schatten. Wir hoppeln – unser ungeliebter Gast, der Regen, begleitet uns schon wieder seit zwei Stunden – vorbei an nassen Feldern und Dörfern. Plötzlich bricht die Straße vor einem Fluss ab und wir stehen vor einem wackelig aussehenden Holzfloß, von dem gerade vier Fahrzeuge rollen. Da sollen wir nun auch drauf, um den etwa 50 Meter breiten Fluss zu überqueren. Mr. Norris schwimmt! Sieben Euro will der Mann für diese alternativlose Dienstleistung, die etwa fünf Minuten dauert, haben. Viel Geld in Albanien. „Touristenpreis“ murmelt Nico. Und nickt, als ich sage, dass der Fährschiffer es vermutlich dringender braucht als wir. Wir fahren weiter – und fühlen uns seltsam. Ich schäme mich für diesen Gedanken, aber obwohl mir Griechenland genauso wenig vertraut war wie Albanien, mache ich mir hier viel mehr Gedanken über Sicherheit. Ich bin befangener als bisher, auch wenn Nico und ich keinen einzigen objektiven Grund dafür finden. Wir beschließen, die ersten ein oder zwei Nächte auf einem Campingplatz zu stehen, um unser neues Gastland erst mal ein wenig kennen zu lernen, bevor wir irgendwo wild campen. Auch wenn wir von zahllosen Reisenden gelesen haben, dass das hier kein Problem ist, und die Landschaft, die sich vor unserem Busfenster entfaltet, trotz des trüben Wetters geradezu zum Freistehen einlädt.
Sobald wir die Küste erreichen, fühle ich mich wie auf Korsika: sich auf und ab schlängelnde Bergstraßen, gelblich-rötliche Felsen, niedrige graugrüne Vegetation, tief eingeschnittene Buchten und links von uns nur Himmel und Meer. Es ist wunderschön, wild und einsam – auch hier hat die Saison noch nicht begonnen. Die Cafés und Imbisse neben der Straße in den wenigen Orten, durch die wir kommen, haben geöffnet aber keine Gäste.
Jetzt stehen wir auf einem reizenden Campingplatz bei Himare, zwischen Hügeln und Meer, bei mehr als hilfsbereiten Gaszgebern, für 12 Euro die Nacht inklusive Strom, heißer Dusche und WiFi (auch hier waren wir erbarmungswürdig schlecht vorbereitet und haben einfach nicht darüber nachgedacht, dass wir außerhalb der EU reisen würden und dafür unsere Mobilfunktarife nicht mehr gelten – Leute, geht wählen am 26. Mai, wer die EU abschaffen will, denkt einfach nicht nach!!) und warten – mal wieder -, dass der Regen aufhört.