Selten, dass bei uns der Wecker um 5 Uhr morgens klingelt (selten, dass er überhaupt klingelt). Aber da der frühe Vogel bekanntlich den Wurm fängt und wir außerdem nicht genau einschätzen können, was uns bei unserem heutigen Vorhaben erwartet, haben wir beschlossen, schon im Morgengrauen aufzubrechen, um alle hellen Stunden des Tages nutzen zu können. Das besagte Vorhaben: Wir wollen auf den Iztaccihuatl steigen. Den inaktiven Nachbarvulkan des ausgesprochen aktiven Popocatepetl, dessen Namen ich schon in der Schule gelernt habe und dessen Rauchwolken bereits seit Mexiko City in der Luft liegen. Der Gipfel des Itza, wir wir ihn liebevoll nennen, da sein vollständiger Name kaum über unsere Zungen geht, liegt auf 5.230 Metern – unvorstellbar hoch für eine Europäerin, die bisher nur auf den 2.962 Metern der Zugspitze stand und auf deren Heimatkontinent es bloß ein paar Viertausender gibt. Schon in den Colorado Rockies auf 3.700 Metern (die wir mit dem Auto hochgefahren sind) haben wir gemerkt: Hier wird die Luft verdammt dünn. Da marschiert man nicht mal eben so hoch. Also haben wir die letzten fünf Tage auf 3.300 Metern bzw. 3.900 Metern verbracht, um uns bestmöglich an die Höhe anzupassen. Bis zum Gipfel des Itza, soviel steht schon vor dem Aufbruch fest, werden wir heute ohnehin nicht kommen: Das würde eine Tour von 14 oder 15 Stunden hin und zurück bedeuten – dafür hat ein März-Tag nicht genug helle Stunden und wir nach der Winter-Wanderpause noch kein ausreichendes Fitness-Level. Und da Sissi und Jannis keine Campingausrüstung in ihrem Bus dabei haben, fällt die Option weg, auf halbem Weg in der Schutzhütte zu übernachten und den Auf- und Abstieg auf zwei Tage zu verteilen. Trotzdem haben wir ein Ziel: Wir möchten bis auf 5.000 Meter kommen.
Mit müden Augen (auf 3.900 Metern schläft man auch nach Tagen der Höhenanpassung nicht gerade erholsam) trotten wir im Schatten einer gewaltigen Steilwand in Richtung der aufgehenden Sonne. Immer bergan, bis nach etwa einer Stunde die ersten Sonnenstrahlen über den Fels hinweg klettern und uns in eine Wolke aus Licht und Wärme hüllen. Daunenjacken und Handschuhe werden wir trotzdem bis zum Abstieg nicht ausziehen – hier oben ist es verflixt kalt und der schneidende Wind tut sein übriges. Wir steigen weiter, und für die nächsten Stunden bewegen wir uns in einem Panorama, dass einen bombastischen Soundtrack mit Pauken und Trompeten verdient hätte. 360 Grad Rundumblick, schroffe Felswände, Postkarten-Himmel, die Welt unter uns im Dunst nur zu erahnen, und immer stößt irgendwo in diesen 360 Grad der Popocatepetl seine dicken Rauchwolken dekorativ ins Blau über uns. Jeder Schritt in dieser Welt aus Licht und Fels und Farbe erfüllt mich mit purer Freude.
Nach dreieinhalb Stunden kommen wir an der Schutzhütte auf 4.700 Metern an und rasten. Die Beine müde, die Atmung rumpelig, aber stolz, dass wir so gut durchgehalten haben und berauscht von all der Pracht um uns herum. Klettern nach der Pause weiter, eine breite aber irre steile Schutt-Passage hinauf. Oben an der Scharte angekommen fegt uns der scharfe Wind fast rückwärts wieder den Berg hinab. Wir werfen einen Blick um den Fels herum, es geht noch steiler weiter, man wird die Hände brauchen, um bis zu der Stelle zu gelangen, an der wir die 5.000er-Marke vermuten. Wir schauen uns an – und beschließen, es für heute gut sein zu lassen. Wind und Anstrengung erscheinen uns zu unberechenbar. Und 4.850 Meter sind schließlich aller Ehren wert. Noch nie in meinem Leben war ich so hoch über dem Meeresspiegel (außer im Flugzeug, aber das zählt nicht), noch nie habe ich von so hoch oben auf die Welt geschaut. Ich habe den ganzen Rückweg über ein Lächeln im Gesicht: In Mittel- und Südamerika warten noch so viele Vulkane auf uns und die Anden sind voll mit 5.000ern – das hier war erst der Anfang!
Hallo… was ein Abenteuer.
Gut das Ihr Euch nicht übernommen habt.
LG Monika
Es sollte ja Freude machen, keine riskante Quälerei werden 🙂 aber irgendwie würde es uns schon reizen, noch einmal hinauf zu steigen, dann mit Übernachtung und Gipfel. Mal sehen, ob unser Weg uns irgendwann dorthin zurück führt…