Housesitting

Wir haben die letzten zehn Tage im Paradies verbracht. Nicht in einem tropischen mit schneeweißen Sandstränden, Palmen und azurblauem Meer, sondern in einem mit dicken, braunen Ledersofas, riesiger Küche, Outdoor-Whirpool, dem größten Fernseher, den ich je gesehen habe und – das beste überhaupt – mit Harley. Harley ist ein schon etwas betagter Hunde-Gentleman (genauer: ein Puggle), und wir hatten zehn Tage lang die Freude, ihn zu hüten. Jackpot! Harley lebt in Vernon, British Columbia in einem wunderschönen Haus mit Panoramablick über ein liebliches Tal, an dessen Ende ein See in der Sonne glitzert. Gefunden haben wir ihn über die Plattform Trusted Housesitters. Ein Tipp meiner Freundin Nadia: Gegen eine überschaubare Jahresgebühr werden hier Haustierbesitzer, die während ihrer Abwesenheit Betreuung für ihre Vierbeiner brauchen, mit Leuten wie uns verkuppelt, die auf der Suche nach einer Unterkunft an einem schönen Ort sind. Ein klassisches Win-Win – und genau das, was wir nach fast vier Monaten und 15.000 KM on the road brauchen. Ein paar Tage Auszeit in einem voll ausgestatteten Haus, uns mal wieder richtig ausbreiten, durchsortieren und zur Ruhe kommen.

Wir hätten keinen besseren Ort dafür finden können. Und keinen besseren Hund. Denn nicht nur die Aussicht auf vier Wände und eine Spülmaschine lockt uns, sondern auch die Chance, eine Weile einen Hund zu haben. Zu sehen, wie der Alltag sich gestaltet, wenn man die alleinige Verantwortung für so einen haarigen kleinen Kerl trägt. Ein Hund, da sind Nico und ich uns einig, wird einmal Teil unseres Lebens werden. Nicht jetzt, auch wenn Langzeitreisen im Bus sicher kein schlechtes Leben für einen Hund bedeutet. Sein Rudel den ganzen Tag lang um sich, den größten Garten, den man sich vorstellen kann und jede Menge Zeit draußen. Aber für uns auch Einschränkungen, für die wir uns derzeit noch nicht bereit fühlen: In den meisten Nationalparks sind Hunde nicht oder nur auf kurzen Spazierpfaden erlaubt, mehrtägige Rucksacktouren im Backcountry wären mit Hund nicht möglich. Auch Grenzüberritte mit Tier stellen noch einmal eine ganz andere bürokratische Herausforderung dar als für uns allein und unser Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen (wobei der Papierkram mich weniger schrecken würde als die Einschränkungen in den Parks). Die Vernunft sagt uns also, dass ein Hund warten muss, bis wir wieder irgendwo eine Wurzel schlagen – oder in Ländern reisen, in denen wir weniger konkrete Wünsche bzgl. der Nationalparks haben, die wir unbedingt sehen wollen. Aber die Sehnsucht nach der Gesellschaft eines Hundes ist trotzdem da – und die vielen Wochen während des Bus-Umbaus auf dem Hof meiner Schwester, in denen wir gleich drei Hunde um uns hatten, hat sie noch einmal verstärkt. Kaum etwas erdet mich so sehr wie ein Hund. Egal, wie gestresst ich während der Ausbauarbeiten vom Bond war. Wie genervt oder mit dem Kopf in endlosen Problemlösungsschleifen. Kam einer der drei Hunde angelaufen, waren all diese Gedanken wie weggeblasen. Ich kann einfach nicht anders als lächeln und die Hand zum Streicheln ausstrecken, wenn ein Hund vorbeikommt. Und Harley macht es uns ganz leicht, unsere ersten Schritte als Probe-Hundeeltern zu gehen. Mit seinen zwölfeinhalb Jahren und seiner perfekten Erziehung stellt er keine großen Ansprüche an uns: Zwei gemütliche Spaziergänge jeden Tag, drei Mahlzeiten, und ansonsten lässt er es ruhig angehen. Schläft den halben Tag in der Sonne vor der Balkontür, dreht ab und zu eine kleine Runde durchs Haus oder durch den Garten, beobachtet Nico sehr genau beim Kochen und Brotbacken in der Küche (den Blick kennen wir sowohl vom Puggle meines Bruders als auch vom Mops meiner Schwester: Immer schön die Augen auf den Küchenchef richten, es könnte ja was runterfallen!) und schnarcht abends neben der Couch, wenn wir auf dem riesigen Fernseher Netflix gucken oder „Return to Monkey Island“ spielen. Wir genießen die Auszeit in dem wunderschönen Haus und der friedlichen Nachbarschaft nach Strich und Faden. Setzen kaum einen Fuß vor die Tür, obwohl die Gegend um Vernon mit ihren Seen, Weinbergen und Wanderpfaden alles andere als arm an möglichen Entdeckungstouren ist. Arbeiten stundenlang still und vergnügt am großen Esstisch, trinken zwischendurch Eistee auf dem Balkon, sitzen zum Sonnenuntergang im Whirlpool und erfreuen uns an den nach und nach aufflammenden Lichtern im Tal. Schrubben zwei Tage lang jeden Zentimeter im Bond und stecken seinen gesamten Inhalt in Wasch- und Spülmaschine. Sortieren um und misten aus, bis er wieder nach einem gemütlichen Zuhause aussieht. Schwatzen auf unseren Spaziergängen mit den reizenden Menschen in der Nachbarschaft: Harley kennt hier jeden und sorgt dafür, dass wir uns fühlen, als würden wir dazu gehören. Je mehr Tage vergehen, desto mehr haben wir das Gefühl, dass dieser Housesit das Beste war, was uns passieren konnte.

Seit gestern Nachmittag sind wir wieder unterwegs. Das Herz schwer beim Abschied von Harley: Sein kleines, weißes Gesicht mit den klugen dunklen Augen und sein leises Schnaufen beim Schlafen werden mir sicher eine ganze Weile fehlen. Wir fahren nicht weit, nur ein paar Kilometer das Ufer des Sees entlang, den wir vom Haus aus jeden Tag sehen konnten. Wir haben es nicht eilig, der Spätsommer beschert dem Okanagan Valley diese Woche noch einmal Sonnenschein und warme Temperaturen und wir werden gemütlich Richtung Süden tuckern. Dann entlang der kanadisch-amerikanischen Grenze ostwärts und Ende nächster Woche zurück in die USA. Alles schön langsam, die langen Fahrtage kommen noch früh genug, wenn wir die USA in 90 Tagen Richtung Mexiko durchqueren. Und einen Plan nehmen wir mit aus Vernon: Wir wollen über Weihnachten und Neujahr einen weiteren Housesit mit Hund(en) suchen, dieses Mal in Südkalifornien. Die Messlatte hängt auf jeden Fall hoch: Jetzt gerade können wir uns kaum vorstellen, dass wir noch einmal einen so schönen Ort und einen so liebenswürdigen Hund finden.

2 Kommentare

  1. Hallo Brit und Nico, das war ein schöner entspannter Bericht. Mal super so einen Kurzurlaub zu verbringen und sich gut und wohl zu fühlen als Hundesitter. Für den nächsten Sitteraufenthalt drücke ich die Daumen. LG Monika

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