Wir stehen mit dem Bus kurz vor Nafplio am Straßenrand und fühlen uns, als wären wir gegen eine Wand gefahren. Was wir da gerade von einer anderen Griechenland-Reisenden erfahren haben, macht uns sprachlos: Ab morgen wird der Lockdown verschärft. Nicht gelockert, wie wir es allmählich erwartet hätten, sondern richtig hart angezogen. So, dass es definitiv auch für uns (die wir uns seit Wochen in einer Grauzone bewegen und uns auf diese Weise ein paar Freiheiten erschummeln) Konsequenzen hat. Um sich Bewegung an der frischen Luft zu verschaffen – der häufigste Grund, den wir für ein Permit angeben, wenn wir uns von A nach B bewegen –, darf man ab sofort nur noch zu Fuß los, nicht mehr mit dem Auto. Zu viele Athener, so schreibt es eine Zeitung, haben diesen Grund missbraucht, um am Wochenende aus der Großstadt in ihre Ferienhäuser zu fahren – und dabei das Virus mitgeschleppt. Und auch zum Einkaufen darf man sich nur noch maximal zwei Kilometer weit von seiner Wohnung weg bewegen. Mit anderen Worten: Wir sitzen ab morgen fest.
Diese Nachricht erwischt uns, als wir gerade gut gelaunt und voller Pläne den Peloponnes einmal von West nach Ost überquert haben: Am Abend zuvor, beim Sonnenuntergang am Strand von Kakovatos, an den uns die Reise an diesem Tag gespült hat, haben wir den verwegenen Plan geschmiedet, nach Kreta überzusetzen. Wir wissen, dass das wegen Corona eigentlich nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist (die wir offiziell nicht erfüllen), dass es anderen Reisenden aber trotzdem gelungen ist in den letzten Wochen. Also denken wir, dass es zumindest einen Versuch wert ist, mal in den Hafen von Piräus zu fahren und uns dort zu erkundigen, ob wir eine Chance haben. Feiern allein zu zweit eine kleine spontane Strandparty mit Musik und Tanz vor lauter Vorfreude auf diesen beflügelnden Plan (auf Kreta wollten wir eigentlich den Winter verbringen. Als der Lock-Down kam, erschien uns eine Insel aber keine gute Wahl).
Morgens schreibe ich über Instagram eine Familie an, die ihren Bus vor vier Wochen nach Kreta verschifft hat. Die Antwort erreicht uns auf Höhe von Nafplio und erstickt unsere Pläne im Keim. Der Aufwand, den die Familie treiben musste, um auf die Fähre zu kommen (und in dem Tricksen und Auslassungen keine unwesentliche Rolle gespielt haben), erscheint uns zu heikel – und nebenbei erfahren wir von der geplanten Verschärfung des Lock-Downs. So schnell sind wir auf dieser Reise noch nie auf dem Boden der Corona-Tatsachen gelandet.
Was tun? Gerade haben wir uns dreieinhalb Bus-Stunden von der Westküste, die wir noch kaum bereist haben, entfernt und sind in einer Gegend gelandet, die wir inzwischen recht gut kennen. Die Verschärfungen gelten ab morgen früh um 6 Uhr, uns bleibt kaum Zeit, einen Standort, zu finden, an dem wir die zwölf Tage, für die die neuen Regeln zunächst gelten sollen, aussitzen können. Wir starren auf die Straße wie das Kaninchen auf die Schlange und unser Gehirn will einfach keinen Notfallplan ausspucken. Also beschließen wir, uns für die Nacht in die Nähe an einen Strand zu stellen und morgen in Ruhe über alles nachzudenken. Frust und Ernüchterung hängen über dem Abend wie Blei. Wir waren so dankbar für die letzten Wochen, in denen wir endlich mal ein bisschen was unternehmen konnten. So Knall auf Fall wieder zurück in den Stillstand zu müssen, erwischt uns kalt. Jeder Plan, den wir andenken, schmeckt schal. In die Berge zurück? Zu kühl und wettertechnisch zu riskant. Eine Unterkunft suchen? Nicht schon wieder. Irgendwo hin, wo wir uns auskennen? Fühlt sich an, als würden wir einfach nicht vom Fleck kommen. Irgendwo hin, wo wir noch nicht waren? Haben wir ja eh nichts von, wenn wir am und im Bus sitzen müssen. Früh kriechen wir ins Bett und flüchten in den Schlaf.
Und dann passiert das, was unser beider große Stärke ist: Wir hören auf zu hadern und fangen an, nach den Dingen zu suchen, die aus dem ganzen Schlamassel noch was Gutes machen könnten. Als wir heute morgen aufwachen, entscheiden wir, in die Bucht in der Nähe von Tyros zu fahren, in der wir im Januar schon mal zwei Wochen gestanden und auf wundersame Weise die Zeit vergessen haben. Sie ist keine Fahrstunde entfernt, wir haben uns dort wohl und sicher gefühlt, hatten sie die allermeiste Zeit für uns allein und können zu Fuß in den nächsten Ort gehen, um Lebensmittel einzukaufen. Die Sonne strahlt und leuchtet unseren Plan in hellen Farben aus. Noch vor dem ersten Kaffee starten wir den Bus. Halten unterwegs an einem großen Supermarkt und kaufen lauter leckere Dinge, die uns in den nächsten zwei Wochen bei Laune halten werden. Legen noch einen Stop in einer Bäckerei ein für Capuccino und sündhaft guten Schokoladenkuchen (ach, die Bäckereien in Griechenland. Irgendwann widme ich denen nochmal einen eigenen Blogbeitrag – in Sachen Kaffee und Gebäck macht den Griechen so leicht keiner was vor). Rollen an der Küste entlang, den Blick aufs blaue Meer, und malen uns aus, wie wir zwei Wochen lang nichts tun werden (nach all den Unternehmungen der letzten Wochen kommt uns die Vorstellung auf einmal gar nicht mehr so übel vor). Finden am Straßenrand neben einem Altpapiercontainer einen großen weißen Terrassensessel, den offenbar jemand ausgemustert hat – der würde sich doch super zum Chillen am Camp machen. Stopfen ihn zu allen Einkäufen und Wasservorräten mit in den Bus, er passt exakt hinein, wenn das kein Zeichen ist! Fahren hinab in „unsere“ Bucht – und fühlen uns wie nach hause kommen. Verschärfter Lock-Down – wir sind bereit!
Schönen Freitag wünsche ich euch mit vielen schönen Momenten.
Es liest sich gut und ihr macht bestimmt das Beste daraus.
Die 14 Tage werdet ihr auch meistern. Erholt Euch noch etwas am Meer, denn das Wandern war ja auch nicht ohne ♂️♀️
️LG Monika
Bongiorno
Gerade schlender ich mit dem Hund an der Cala Fuili entlang und entdecke einen Aufkleber von euch.
Wie es der Zufall will überlegen wir eigentlich auch zeitnah nach Griechenland zukommen, waren uns aber bislang noch sehr unschlüssig.
Nach diesem Artikel sollte sich das wohl dann doch erst einmal für uns erledigt haben. Vielen Dank für die Entscheidungshilfe.
Oh, wie abgefahren! Ihr habt unseren Aufkleber gefunden! Wir haben noch gar nicht so viele verklebt, ich hätte aber nie gedacht, dass mal jemand auf diesem Wege zu uns Kontakt aufnimmt. Das hat mir gerade echt den Tag versüßt! 🙂
Eure Überlegungen, nach Griechenland zu kommen, würde ich an eurer Stelle aber gar nicht so weit weg schieben. Klar, für die nächsten zwei Wochen ist der Lockdown hier erst noch einmal verschärft worden. Wir rechnen aber ehrlich gesagt damit, dass zu den Osterferien alles wieder etwas lockerer wird. Und auch während Corona ist Griechenland ein sehr entspanntes Reiseland. Wir sind schon seit Ende Oktober hier, und haben es bisher nicht bereut, auch wenn eigentlich während der gesamten Zeit Lockdown herrschte. Bei der Einreise gilt meines Wissens derzeit, dass man sich zunächst für 7 Tage in Quarantäne begeben muss. Das geht aber auch z.b. auf einem Campingplatz. Danach hat man nach unserer Erfahrung recht viel Bewegungsfreiheit. Ich weiß nicht, wie es derzeit in Italien ist, aber auch dort habt ihr doch sicherlich Einschränkungen, oder?
Bongiorno.
Na das klingt ja doch wieder etwas aufmunternd und schön dass die ‚Aufkleberfalle‘ funktioniert hat.
Da Sardinien seit einer Woche „weiße Zone“ ist, ist hier fast alles wieder offen. Aber auch vorher haben sich die Sarden nicht sonderlich an die Order aus Rom gehalten. Wir findens hier spitze und müssen daher nicht notgedrungen die Insel verlassen. Ansonsten steht Sizilien als Zwischenstop noch im Raum.
Kurzum: wir machen das was wir am besten können und harren der Dinge in einer idyllischen Bucht aus 😉
Vielleicht fährt man sich in 3 Wochen ja doch noch über den Weg.
Wir würden uns freuen