„Was macht Ihr jetzt eigentlich so den ganzen Tag?“, fragt mich gestern eine Freundin im Video-Chat. Ich stutze. Gute Frage. Was machen wir jetzt eigentlich so den ganzen Tag? Irgendwie gehen die Tage total schnell rum, seit wir in Mystras angekommen sind, aber so richtig was vorzuweisen auf der „Das habe ich heute geschafft“-Liste habe ich am Abend eigentlich nicht. Und trotzdem würde ich keinesfalls behaupten, dass wir den ganzen Tag nichts tun. Nur fließt die Zeit so dahin, und plötzlich ist es dunkel, Zeit den Kamin anzuzünden, die Beine hochzulegen und den Tag ausklingen zu lassen. Ich muss bei der Frage an die ersten Wochen unserer Reise denken. Gott, was hat es mich Anstrengung gekostet, mich mal hinzusetzen und einfach nur mit Kopf und Füßen da zu sein, wo ich gerade bin. Nichts bestimmtes zu tun und auch nicht darüber nachzudenken, was ich als nächstes bestimmtes tun könnte. Jeden Erfolg im Nichtstun habe ich mit einem eigenen Blog-Beitrag gefeiert (es sind genau zwei Beiträge geworden – war bisher offenbar nicht so meine Paradedisziplin). Und gestern musste ich bei der Frage, was ich so treibe den ganzen Tag, ernsthaft nachdenken. Das nenne ich doch mal Fortschritt!
Tja, womit haben wir uns die Zeit in Mystras bisher so vertrieben? Ich offensichtlich mit gepflegtem Durch-den-Tag-Trödeln, Nico dafür mit sehr viel vorzeigbareren Dingen: Er trainiert seit Wochen fleißig seine Programmier-Skills und entwickelt gerade eine Online-Version von Kniffel. Und zwar eine, die man mit mehr als zwei Spielern spielen kann, und für die die Spieler nicht im selben Raum sitzen müssen. Wenn das steht, will er das Spiel zum „Dreier-Kniffel“ ausweiten, einer Bosslevel-Variante, von der mir meine Kollegin Jasmin erzählt hat und die ich seitdem unbedingt spielen will – was wir mangels echter Würfel (peinlich, aber wahr) bisher nicht konnten. Also muss der Mann halt was programmieren. Oder wir kaufen demnächst mal Würfel.
Vor allem aber haben wir versucht, jeden Tag ein bisschen vor die Tür zu kommen – was letzte Woche eine echte Herausforderung an unsere Regenkleidung war: Vier Tage am Stück hat es ohne Unterlass geschüttet. Immerhin ist es spektakuläres Mistwetter: Die Gipfel des Taygetos hüllen sich in dramatische Nebelfetzen, die Wolken über der Ebene von Sparta ballen sich in 50 Shades fo Grey am Himmel, der Regen verschleiert die Ruinen von Mystras und tropft von den Oliven- und Orangenbäumen vor unserem Haus. Es riecht schon mittags nach Kaminfeuer. Nichts wie raus, zu Fuß und endlich auch mal mit dem Mountainbike. Wir können es uns leisten, nass und dreckig zu werden: Im warmen Haus mit viel Platz zum Sachenaufhängen und einer Waschmaschine wird schnell alles wieder trocken und sauber. Wir nach einem heißen Bad auch – im Bus wäre das deutlich schwieriger.
Seit vorgestern dann das komplette Kontrastprogramm: 17 Grad und Sonnenschein, wir trinken unseren Kaffee morgens im T-Shirt auf dem Balkon. Die Weihnachtslieder, die uns beim wöchentlichen Großeinkauf im Supermarkt entgegen schallen, stehen in surrealem Kontrast zu unseren kurzen Ärmeln. Als wir vom Einkaufen zurückkommen, steht vor unserem Haus ein riesiges Paket: Der erste Teil unserer Einaufsorgie für das Projekt Bus-Vergemütlichung ist da! Ich bin fassungslos: Frühestens für den 24. Dezember war es angekündigt, die griechischen Zustelldienste gehen gerade allesamt in die Knie, da das ganze Land seit Anfang November nur online einkaufen kann. Aber da steht es. Wir schleppen es hoch und freuen uns wie die Kinder beim Auspacken: Obwohl alles Kram, den wir vor ein paar Wochen selbst ausgesucht haben, feiern wir jedes Teil mit Ahs und Ohs, und Nico beginnt tatsächlich, sie alle unter unseren künstlichen Weihnachtsbaum zu legen. Ganz unten im Karton steckt ein Schatz: Meine Mama hat ihre komplette Kollektion an Familien-Weihnachtsplätzchen gebacken und von jeder Sorte ein Tütchen in eine Kiste gelegt (danke, Mama!) – jetzt kann‘s von mir aus Weihnachten werden.