Dieses Mal gibt mir der Regen den Rest. Immer wieder haben wir uns aufgerafft, uns nicht entmutigen lassen, uns die schönen Dinge einfach gesucht in den ersten beiden Wochen unserer Reise, in denen es mehr geregnet hat, als selbst meine norddeutsche Seele noch normal finden kann. Die letzten eineinhalb Wochen waren gut zu uns (ok, wenn man mal die Taxifahrt von Ohrid zurück zum Campingplatz ausblendet, die wegen Dauerregens nötig war), aber seit wir gestern Abend im Una Nationalpark unser Camp aufgeschlagen haben, regnet es ohne Unterlass. Bis mittags haben wir heute abgewartet, immer in der Hoffnung, dass der Regen doch noch aufhört. Dann haben wir aufgegeben. Wir haben unseren Stellplatz bezahlt und unser Camp abgebrochen, um mit dem Auto nach Martin Brod zu fahren, wo die Una sich in zahllosen kleinen und größeren Wasserfällen ergießt. Dorthin zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu fahren, wie wir es eigentlich vorhatten, war keine Option mehr. 12 km bei Dauerregen, ohne die Strassenverhältnisse zu kennen, das fanden wir keine gute Idee. Zu Recht, wie wir nach kurzer Fahrt mit dem Bus feststellen. Nach ein wenig Asphalt geht die Straße in Schotter, Sand und vor allem sehr viele Schlaglöcher über.
Als wir in Martin Brod ankommen, sind wir ordentlich durchgeschüttelt. Der Regen regnet weiter, meine Laune sinkt und sinkt. Mit einem Blick auf die Wetterkarte haben wir festgestellt, dass auch die nächsten fünf oder sechs Tage, die uns noch auf dieser Reise bleiben, nicht besser werden. Weder in Kroatien noch in Norditalien sieht es nach Sonne für die nächsten Tage aus. Was für eine Aussicht. Ich bin wirklich auf dem Tiefpunkt meiner Laune für diese Reise.
Aber ich bekomme eine kleine Auszeit. Als wir auf die schmale, nasse Holzbrücke über der Una gehen und all die kleinen Stromschnellen, Wasserfälle, Bäume im Wasser, Felsen, über die sich das Wasser sprudelnd ergießt, das glasklare Wasser der Una von unten und den verfluchten Regen von oben schauen, kann ich nicht anders, als hingerissen zu sein. Ich glaube, obwohl die Umstände so mies sind, ist das der schönste Ort, den ich auf unserer ganzen, mit schönen Orten reich gesegneten Reise bisher gesehen habe. Es treibt mir tatsächlich die Tränen in die Augen. Dieser Ort ist magisch. Und das Beste: Wir haben ihn ganz für uns alleine. Wenigstens ein Vorteil, den der ganze Regen hat.
Ich mache ungefähr hundert Fotos, dann treibt uns der Regen zurück in den Bus. Von hier aus wissen wir nicht weiter. Wir haben einen schönen Stellplatz unweit von Martin Brod direkt an der Una gesehen. Campen ist dort erlaubt, wir finden, das ist eine gute Gelegenheit, unser Budget wieder etwas zu entlasten. Da es uns aber an diversen Lebensmitteln mangelt, müssen wir noch einmal die zehn Kilometer über die Schlaglochpiste zurück in den Ort, um dort in dem einzigen winzig kleinen Supermarkt ein paar Dinge einzukaufen. Ein drittes Mal fahren wir die Schlaglochpiste zurück Richtung Martin Brod, dann inspizieren wir die Stelle am Fluss erneut, um sicherzugehen, dass wir den durch den ganzen Regen aufgeweichten Rasen morgen auch wieder verlassen können. Wir möchten ungerne stecken bleiben. Unten angekommen treffen wir auf einen Park Ranger und zwei Männer, mit denen zusammen er an dem Platz ein altes Holzhäuschen abreißt. Er informiert uns, dass das Parken über Nacht dort 10 Marka, etwa 5 Euro, kosten soll. Wir haben eingehend alle Schilder, die wir bisher im Nationalpark gesehen haben, studiert, haben vieles über Erlaubnisse zum Fliegenfischen und so weiter gelesen, aber nie etwas über Gebühren fürs Campen. Wir fahren also zurück nach Martin Brod, zu der Dame, die uns schon drei Stunden vorher ein Ticket für den Zugang zu den Wasserfällen verkauft hat. Sie bestätigt: 10 Marka pro Person fürs Campen. Das haben wir auch auf unserem wunderschönen Campingplatz direkt an der Una letzte Nacht bezahlt, dort hatten wir auch noch eine heiße Dusche und einen fröhlichen Wirt mit einer großen Sammlung an Schnapsflaschen und einem großzügigen Händchen beim Aussschenken dazu. Also fahren wir die Schotterpiste ein viertes Mal, zurück zu dem Ort, an dem wir heute Mittag aufgebrochen sind. Zu allem Überfluss geraten wir auch noch in eine Polizeikontrolle, hier, am Ende der Welt, wo wir am wenigsten damit gerechnet hätten. Der Officer prüft nur unsere Papiere und wünscht uns dann „Good Luck“, aber wir haben langsam das Gefühl, das Schicksal hat es auf uns abgesehen. Meine Laune könnte nicht schlechter sein und ich weiß nicht, wie ich aus diesem Stimmungstief wieder herauskommen soll.
Und dann sitzen wir eine Stunde später beim sehr charmanten Sohn des Campingplatz-Wirtes an der Theke, er versorgt uns mit Schnaps und Bier, wir bestellen eine fantastische Forelle zum Abendessen, eine Gruppe polnischer Motorradfahrer und etwa zwanzig Gäste einer Reisegruppe aus Malaysia, die alle irgendwo aus dem Nichts gekommen zu sein scheinen, füllen das urige Restaurant des Platzes mit ihrem Lachen und ihren Sprachen, und irgendwie ist dann doch alles wieder gut. Keine Ahnung, wie wir es die nächsten verbleibenden Tage noch mit dem ganzen Regen handhaben sollen. Aber darüber werden wir uns morgen Gedanken machen.