Seit zwei Tagen haben wir tatsächlich Sonne! Ziemlich abgenervt sind wir vorgestern Abend an einem Wohnmobilstellplatz mitten im Nichts im Hinterland von Ancona angekommen – zumindest dachten wir, es sei im Nichts. Den ganzen Tag sind wir an der Küste entlang gefahren, weil ich dachte, es sei eine nette Sache, beim Fahren das Meer zu sehen. Falsch gedacht. Die Küste um Rimini und Ancona ist komplett zugebaut und man fährt eigentlich nur von einem Industriegebiet zum nächsten.
Nach zwei Stunden hat Nico keine Lust mehr, mit quälend langsamer Geschwindigkeit und bei Dauerregen von Ampel zu Ampel zu fahren, und ich suche eher widerwillig nach einem Stellplatz für die Nacht im Hinterland. Am Lago di Fiastre, einem See etwas höher gelegen, mache ich einen Platz aus, den wir dann die nächsten drei Stunden ansteuern. Die Straßen sind schmal und gewunden wie wir es mögen, aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass wir einfach immer nur weiter weg von allem fahren ohne ein richtiges Ziel, also auch weiter weg von der Küste, die uns doch eigentlich Richtung Süden bringen soll und der Sonne entgegen. Wir sind auch so ziemlich die einzigen, die dann irgendwann auf einer schmalen Straße diesen See umrunden. Der Platz, der in der App angegeben war, ist mit einer Schranke versperrt – Mist. Auf abenteuerlich verschlaglochten Straßen fahren wir weiter zu einem Campingplatz, der aber nur für Zelte ausgelegt ist. Wir sind genervt.
Eine Abzweigung zuvor haben wir ein Hinweisschild auf einen Wohnmobilstellplatz gesehen. An dem Stellplatz sind wir auch vorbeigefahren, der sah aber eher aus wie ein Parkplatz mit Müllcontainern. Da wir keine Alternative haben, steuern wir ihn trotzdem an. Der Platz erstreckt sich über zwei Etagen, und wir sind die einzigen. Mir ist inzwischen alles egal, es schüttet, es ist kalt, ich bin hungrig. Also beschließen wir, einfach dort stehen zu bleiben.
Wir fahren die Markise aus und Nico kocht – und findet in seiner Playlist den perfekten Song für das ganze Elend: „It’s raining men“ von den Weather Girls. Meine Laune ist inzwischen so unterirdisch, dass sie irgendwann ins komplette Gegenteil umkippt und wir im Regen zu den Weather Girls um unseren kleinen Benzinkocher herum tanzen. That’s Vanlife – wie haben es schließlich so gewollt! Wir essen hastig und verkrümeln uns dann in den Bus – und beten, dass die Wettervorhersage für den nächsten Tag wahr wird und wir bei Sonnenschein aufwachen.
Und so ist es dann auch. Als wäre nie etwas gewesen, scheint am nächsten Morgen aus einem stahlblauen Himmel die Sonne, wir trinken unseren Kaffee im T-Shirt und trocknen einfach noch ein paar Stunden lang unseren Kram (die Dachboxen sind nicht ganz dicht und haben im Dauerregen ein wenig Wasser gezogen) an diesem Platz – der sich im wahrsten Sinne des Wortes bei Lichte betrachtet als gar nicht so unattraktiv erweist. Beim Herausfahren aus dem Gebiet stellen wir fest, dass wir im Nationalpark Monti Sibillini gelandet sind statt vermeintlich im Nichts. Und der ist wirklich spektakulär. Auf der Fahrt heraus fahren wir über wunderschöne Straßen mit tollen Bergblicken, und ich bin wirklich überrascht, wie bergig Italien außerhalb der Alpen ist. Das war mir vorher gar nicht so klar. Im Sonnenschein sieht sowieso alles viel schöner aus, und ich gerate von einer Verzückung in die nächste angesichts der spektakuläre Natur, die sich da vor unseren Augen entfaltet.
Wir fahren noch etwa vier Stunden (mit spontanem kurzen Stopp in Sarnano, das aussieht wie eine Filmkulisse, so surreal malerisch ist dieser Ort, von dem wir noch nie gehört haben!) bis zu einem Parkplatz am Meer südlich von Pescara – auch wieder ein Wohnmobilstellplatz. Wie auch in der Nacht zuvor kassiert aber niemand, weil sich in der Vorsaison wohl noch keiner für die vereinzelten Camper interessiert (sie aber netterweise die Schranken nicht herunter lassen, sodass man die Stellplätze trotzdem befahren kann). Unsere Übernachtungskosten nach sechs Tagen auf Reisen: 0 Euro! (fragt aber besser nicht nach den Benzinkosten – wenn man in so wenigen Tagen so viel Strecke macht, explodieren die natürlich).
Es war toll, heute morgen am Meer aufzuwachen, und von der Sonne gewärmt zu werden. Auf diesmal deutlich schöneren Straßen sind wir heute weiter die Ostküste Italiens entlang bis hinter Bari gefahren. Von dort brauchen wir morgen früh noch eine Stunde bis Brindisi und gehen da mittags auf die Fähre hinüber nach Griechenland. Damit wären wir dann endlich – wenn auch in umgekehrter Richtung – auf unser eigentlich geplanten Reiseroute, nämlich Richtung Albanien und dann über Montenegro und Bosnien bis nach Nordkroatien.
Highlight des Tages heute übrigens: Wir sind auf einem Stellplatz eingekehrt, der auch schon in Betrieb ist (Übernachtungskosten erhöhen sich damit von 0 auf 15 Euro) – und hatten dort eine heiße Dusche!! Nach fast einer Woche nur waschen war das echt der Knaller. Andererseits ist es erstaunlich, dass man weder schrecklich stinkt noch vollkommen verwahrlost, wenn man sich „nur“ wäscht jeden Tag (die Behindertentoietten in Supermärkten und bei IKEA haben sich bei der Kälte draußen als ideale Orte für eine schnelle Katzen- und Haarwäsche erwiesen!). Wir sind echt ganz schön verwöhnt zu Hause, wo heißes Wasser und Wärme jederzeit verfügbar sind…
Nachtrag von Nico: Die Schlaglochdichte in Italien abseits der mautpflichtigen Straßen ist im Wortsinn atemberaubend. Das erfordert ungeahnten Körpereinsatz, der als vollwertiger Ersatz für ein Zirkeltraining durchgeht!